25.08.2024 677 Gramm. Das, was Martina zuvor unter Aufsicht von Diplom-Braumeister Jörg Binkert abgewogen hatte, darf Regina nun in die Würzepfanne zuführen. „Perle“ heißt der Hopfen treffenderweise, der nun in den kochenden Sud Jubiläumsbiers gegeben wird. Es dampft aus dem silberglänzenden Kessel – und es riecht verführerisch lecker süßlich.
Der Oberleiterbacher Gartenbauverein wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Dieses Jubiläum nahm das Vorstandsteam kürzlich zum Anlass, um in Breitengüßbach ein eigenes Bier einzubrauen. Dabei lernte die Delegation an zwei Tagen nicht nur etliches rund ums Bierbrauen, sondern auch Wissenswertes rund um die Geschichte des besonderen Lebensmittels.
Schon vor 20.000 Jahren wurde in Mesopotamien Bier angesetzt – freilich nicht nach heutigen Maßstäben. Wie Jörg Binkert erklärte, war das Brauen früher reine Frauensache. Umso mehr freute er sich, dass es beim gemeinsamen Brauen mit dem Gartenbauvereinen einen deutlichen Frauenüberschuss gab. Letztlich waren es aber die Mönche, die das Bierbrauen perfektionierten, konnten sie doch lesen und schreiben und so per Sudprotokoll festhalten, was gut gelungen war und was beim nächsten Sud verbessert werden sollte. Wenn im Mittelalter drei von zehn Suden gelangen, war das eher eine ungewöhnlich gute Quote.
Ein Hauch von „Magie“
Heute ist das natürlich anders. Im Brauhaus Binkert läuft vieles automatisch, wird von Computern überwacht – und natürlich gelingt jeder Sud. Gebraut aber wird noch immer wie vor über fünf Jahrhunderten, streng nach dem Reinheitsgebot von 1516. Wasser, Hopfen und – nein, nicht Malz, sondern Gerste sind dort festgeschrieben. Weizen für Bier zu mälzen, war nämlich nur dem Adel vorbehalten. Und von Hefe wusste man damals noch nichts. Manchmal wurde von „Zeug“ geredet, das irgendwie aus der Luft dazukam, manchmal auch von „Magie“.
Zurück zum Jubiläumsbier: Tags zuvor hatte eine kleine Abordnung des Gartenbauvereins um Vorsitzende Angela Hennemann bereits Vorarbeit geleistet. Es galt, den Inhalt der stattliche 50 Kilogramm schweren Säcke Pilsener und Münchener Malz (das Mischverhältnis soll an dieser Stelle nicht verraten werden) mit Muskelkraft in die Malzgosse zu hieven. Diplom-Braumeister Jörg Binkert erläuterte dabei den Unterschied zwischen Mahlen und Schroten: Durch zwei Walzen wird das Malz eher aufgebrochen denn gleichmäßig gemahlen. Denn, so ergänzte die Lätterbocher Braumeisterin in spe, Karina Schuster, die Spelzen seien wichtig für den weiteren Produktionsprozess, als natürliche Filterschicht beim Läutern.
Zuerst die „Perle“
Früh um 6 Uhr hatte Jörg Binkert dann am Folgetag bereits eingemaischt. Nach der Maischarbeit, in der die Stärke in Zucker umgewandelt wurde, wurden beim Abläutern die festen von den flüssigen Bestandteilen getrennt. Dann wurde zum ersten Mal die teuerste Zutat beim Bierbrauen zugegeben: der Hopfen – die „Perle“. Doch dabei blieb es nicht: Fünf Minuten vor Ende des Kochens wurden 378 Gramm „Select“ beigefügt. Abermals Hopfen, „aber das ist der, der geschmacklichen im Bier bleibt, denn er prägt das Aroma“, so Karina Schuster. Und damit den Geschmack und den Geruch. Die Würze ist bald bereit zum Ausschlagen.
Bis in die 1970-er-Jahre wurde auch in Breitengüßbach noch Hopfen angebaut. Heute gibt es nur noch wenige Pflanzen, direkt am Binkert’schen Brauhaus, die für die Bockbiere verwendet werden. Das größte Hopfenanbaugebiet der Welt ist bekanntermaßen in der Hallertau, der beste Hopfen der Welt aber kommt nach Binkerts Ansicht ganz klar aus Franken: aus Spalt.
Mit dem „Brauerbesen“
Vor der zweiten Hopfenzugabe war im Läuterbottich schon ausgetrebert worden: Die Treber, die dreimal ausgewaschen wurde, um auch wirklich all die wertvollen Inhaltsstoffe in das künftige Bier zu bekommen, wird mit dem Hackwerk herausgeräumt. Danach kommt „der Brauerbesen“ zum Einsatz. Der was? Jörg Binkert blickt in ratlose Gesichter und grinst. „Der Brauerbesen ist der Wasserschlauch“, sagt er. Damit wird der Bottich gereinigt. Die Treber ist nun noch als Futter für Rinder zu gebrauchen. Ein Bauer der Region hat dafür Verwendung.
Das bernsteinfarbene Jubiläumsbier des Gartenbauverein ist ein untergäriges Vollbier mit 12,55 Prozent Stammwürze. Die untergärigen Biere (hier setzt sich die Hefe unten am Boden des Gärtanks ab) stammen ursprünglich aus England, ebenso wie der Begriff „Lager“, ein Synonym für Kellerbier. Früher gab es in Deutschland nur obergärige Biere, von denen Alt, Kölsch und natürlich Weizen die bekanntesten sind. „Die Hefe macht das Bier“, sagt Binkert, als er selbige hinzugibt. Durch sie entstehen der Alkohol und die Kohlensäure. Um die Hefe machen die Brauer gerne ein Geheimnis. Deshalb sagt auch er nicht mehr dazu.
1500 Liter Würze gebraut
Kein Geheimnis ist, dass der Gartenbauverein 1500 Liter Würze gebraut hat, die nun im Gärkeller, dank der Hefe, zum Bier heranreift. Eine Woche gärt der Gerstensaft, bei maximal elf Grad, danach wird er abgekühlt und reift er weitere drei Wochen im Tank nach. Insgesamt werden 13 Hektoliter Bier in Fässer und Flaschen gefüllt.
Der Name für das Jubiläumsbier des Gartenbauvereins steht übrigens mittlerweile fest. Vorsitzende Angela Hennemann aber zeigte sich stolz, dass im Vorfeld 29 höchst kreative Vorschläge eingegangen waren. Die Jury, der neben den Vorstandsmitgliedern auch Diplom-Braumeister Jörg Binkert angehörte, hatte nun die Qual der Wahl – und hat eine Entscheidung getroffen, die aber an dieser Stelle noch nicht verraten werden soll. Eines aber ist kein Geheimnis: Verkostet werden darf das ganz besondere Bier dann am Festwochenende ab dem 4. Oktober im Zelt am Gemeinschaftshaus. M. Drossel