Geschichte Oberleiterbachs


So sah das Anwesen „Zimmermoo“ bis 1958 aus. Das Foto dürfte um 1907 entstanden sein. Es zeigt Erhard Tutor, Anna-Maria Tutor und auf dem Arm, Sohn Josef. Fotos: Archiv Rainer Dittrich

Wie der „Zimmermoo“ von Lätterboch zum Krämer wurde

Das Anwesen Kleukheimer Straße 9 hat eine interessante Geschichte. Bis nach Hamburg lassen sich die früheren Bewohner zurückverfolgen. Ein Blick zurück in vergangene Jahrzehnte und Jahrhunderte.

03.05.2020 Hausnamen sind in Oberleiterbach noch immer in Gebrauch – vor allem unter den älteren Einwohnern. Im Rahmen der Recherche zum Historischen Dorfrundgang mit QR-Code wurden viele von ihnen dokumentiert, analysiert und für die Nachwelt konserviert. Doch auch abseits des Lätterbocher Spaziergangs in die Geschichte gibt es interessante Hausnamen und Häuser, die nicht in Vergessenheit geraten sollen. So zum Beispiel „der Zimmermoo“.

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„Der Zimmermoo“, das ist heute die Heimat von Dirk Klaas und seiner Familie, hatte früher die Hausnummer Oberleiterbach 26 und heute die postalische Anschrift Kleukheimer Straße 9. Dirk Klaas war es auch, der den Anstoß für diese Recherche gab: Er schickte einige historische Fotos, die er wiederum von den Vorbesitzern erhalten hatte.

Um 1845 im Besitz der Familie Tutor

Geschichtsfreund Geo Seelmann kann die Geschichte des Hauses und der Bewohner rund 170 Jahre zurückverfolgen. „Der Hausname leitet sich vom Beruf der früheren Besitzer ab“, sagt er. Die frühesten für ihn nachweisbaren Bewohner hatten den Nachnamen Tutor. 1845 wurde ein gewisser Pankraz Tutor geboren, der am 20. April 1872 in Oberleiterbach die rund vier Jahre jüngere Barbara Martin aus Unterküps zum Traualtar führte. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: Barbara, geboren am 25. November 1870, die es ins mütterliche Anwesen Unterküps 15 zog, und Erhard, der 1875 das Licht der Welt erblickte, und in Oberleiterbach 26 wohnen blieb.

Erhard Wunner wiederum verwählte sich am 20. April 1902, auf den Tag genau 30 Jahre nach seinen Eltern, mit Anna Maria Wunner aus Kleukheim, Hausnummer 84a. Drei Kinder bekam das Paar: Anna (Vetter), die bis 1984 in Kutzenberg und Bamberg wohnte, Margareta (Dittrich), die 1977 verstarb und Josef, der Jüngste, der 1990 in Unteroberndorf die ewige Ruhe fand. Margareta, geboren am 5. August 1900, heiratete den gebürtigen Merkendorfer Vitus Dittrich. Beide starben im Jahr 1977; Vitus in Würzburg, und zwar am 30. Januar, und Margaretha am 21. August – in der Hansestadt Hamburg.

Von der Familie Dittrich zur Familie Morgenroth

Vererbt wurde „der Zimmermoo“ an deren beide Söhne: Robert Dittrich, der im Hamburg lebte und Lehrer war, und Geo, der das Handwerk des Schreiners erlernte, später zum Zoll ging und in Erlangen wohnte. Um 1980 verkauften die beiden ihr Haus in Oberleiterbach an Ludwig und Ursula Morgenroth. Nach dem Tod des Gatten ging das Haus in den Besitz der Ehefrau und der Kinder über. 2015 schließlich erwarb die Familie Klaas das Anwesen am Ortsausgang Richtung Kleukheim.

„Der Zimmermoo“ sah früher anders aus. Das liegt daran, dass um 1958 an gleicher Stelle ein neues Haus gebaut wurde. Der Vorgängerbau war ein Fachwerkhaus, das im Jahr 1958 abgerissen wurde. Ältere Anwohner mögen sich nicht nur an das herrlich unsymmetrische Domizil erinnern, sondern auch an die Tatsache, dass es darin einst einen Krämerladen gab. „Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieb ,die Rettl‘ dort den Kramerladen“, hat Geo Seelmann herausgefunden. Dies war in etwa von 1952 bis 1964. Oder besser: Es waren zwei Rettl. Von 1952 an war es die „Zimmermoos-Rettl“ bis zum Abriss und Neubau ihres Hauses, ab 1958 dann die „Kunzelmanns-Rettl“ beziehungsweise „Herolds-Rettl“– und die den Laden im Haus im Kastanienweg betrieb, das heute ihr Nachfahre Geo Amon besitzt.

Das Bild des Fachwerkhauses, das Dirk Klaas zur Verfügung stellte, ist wohl aus dem Jahr 1907. „Es zeigt Erhard Tutor, seine Frau Anna-Maria, eine geborene Wunner, und den kleinen Josef auf dem Arm“, beschreibt es Seelmann.

Wo die blauäugigen Hunde wohnen

Und heute? Heute ist die Kleukheimer Straße 9 fest in vierbeiniger Hand. Dirk Klaas nennt nämlich ein Rude prächtiger Alaskan-Malamute sein Eigen, betreibt eine Hobbyzucht. Dabei handelt es sich um eine nordische Hunderasse, die zu den Schlittenhunden gezählt wird. Die braunäugigen Alaskischen Malamutes sind die offiziellen State Dogs des US-Bundesstaats Alaska und schmücken als Helmkleinod auch das Wappen von Yukon. Mehr darüber gibt es auch auf der Internetpräsenz von Dirk Klaas: https://alaskan-malamute-dk.jimdo.com.   M. Drossel

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Die Kelten vom „Hanbüchla“

Im Waldstück zwischen Kleukheim und Oberleiterbach hat sich ein vielen unbekanntes Gräberfeld aus vorchristlicher Zeit erhalten – Doch wo war die zugehörige Siedlung?

Von M. Drossel

OBERLEITERBACH/KLEUKHEIM   Wie eine Insel liegt das „Hanbüchla“, auch „Haabüchla“ genannt, in der Flur zwischen Kleukheim und Oberleiterbach, zwischen den Landkreisen Lichtenfels und Bamberg. Der zirka zwei Hektar große Wald ist von sanften Hügeln durchzogen und vor allem von Eichen geprägt. Was auch so manchen Einheimischen erstaunt: Dieser Mischwald ist eigentlich ein Friedhof, die Erhebungen sind Hügelgräber aus vorchristlicher Zeit.  Wilhelm Ebitsch, Naturwächter und Wanderführer im Landkreis Lichtenfels, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wissen um die Grabstätte nicht weiter in Vergessenheit geraten zu lassen.

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„Das Geschaffene und die Schöpfung erhalten: Das sehe ich als meine Aufgabe“, sagt der 77-Jährige, als er durch das „Hanbüchla“ läuft und die Hügelgräber zeigt. Zehn davon hat er gezählt, von unterschiedlicher Größe. „Direkt hier am ,Hanbüchla‘ habe ich einen Acker, der schon ganz lange im Familienbesitz ist“, erklärt er. „Meine Familie stammt aus Oberleiterbach, mein Großvater Peter Ebitsch wohnte da bis 1914, bis er kurz nach der Geburt seines siebten Kindes starb. Das Haus am Leiterbach, unweit des ,Schneidersgässla‘, steht mittlerweile nicht mehr.“ Bis vor wenigen Jahren, bis zur Dorferneuerung in Oberleiterbach, hatte Ebitsch, der seit Jahrzehnten in Kleukheim wohnt, hier noch kleine Grundstücke.

Bei der Flurbereinigung erhalten geblieben

Es ist dem Zufall geschuldet, dass die Hügelgräber im „Hanbüchla“ die Jahrhunderte überdauerten, wird doch die Flur zwischen Kleukheim und Prächting seit jeher intensiv bewirtschaftet. „Der Boden am ,Hanbüchla‘ ist wenig ertragreich, deswegen hat sich der Wald dort erhalten. Auch, als zwischen 1960 und 1967 die Flur neu geordnet wurde“, sagt der Oberleiterbacher Nikolaus Kunzelmann, einer von sieben Grundstücksbesitzern.

Annette Schäfer, die Kreisheimatpflegerin des Landkreises Bamberg, hat in der Denkmalliste einen kurzen Eintrag über das „Hanbüchla“ gefunden: „Es ist ein Bestattungsplatz mit teils verebneten Grabhügeln vorgeschichtlicher Zeitstellung und mit Bestattungen der Hallstattzeit und der frühen Latènezeit“, erklärt sie. Anton Köcheler vom Arbeitskreis Archäologie der Kulturinitiative Bad Staffelstein (KIS) fügt an: „Die ältesten Gräber stammen aus der frühkeltischen Eisenzeit, also zwischen 750 und 450 vor Christus.“ Die meisten Grabhügelfelder seien bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts untersucht worden, wobei der Frauendorfer Pfarrer Lukas Hermann einer der aktivsten Heimatforscher war, der in unserer Region sehr viele Gräber geöffnet hat.

Immer in Sichtweite angelegt

Bekannt ist, dass die Kelten Hügelgräber außerhalb ihrer Siedlungen, aber stets in deren Sichtweite anlegten. Wo also war die bislang noch unentdeckte keltische Siedlung, deren Tote im „Hanbüchla“ ihre letzte Ruhe fanden? „Die Frage nach Siedlungsplätzen im Kellbachtal ist schwer zu beantworten. Grundsätzlich lebten die Kelten ja in Dörfern und kleinen Gehöften, in Holzbauten“, so der Heimatforscher aus Unterzettlitz. „Den Gräberfeldern in der genannten Region  konnten bisher noch keinen eindeutig belegten Siedlungsplätze zugeordnet werden. Dazu fehlen beweiskräftige Keramikfunde. Natürlich hat es diese Siedlungen im Kelbachtal gegeben und vermutlich lagen diese auf den hochwasserfreien Terrassen und flachen Talhängen.“ Wenn man das Gelände konsequent und intensiv absuchen würde, würde man sicher einschlägige Keramik finden, die auf Siedlungstätigkeit schließen ließe. Durch jahrhundertelange landwirtschaftliche  Bearbeitung des Geländes sind wohl alle Spuren keltischer Holzbauten zerstört worden. Möglich ist auch, dass die einstigen Siedlungsplätze der Kelten in späterer Zeit überbaut wurden (und unter den heutigen Orten liegen).

„Die Kelten, wie auch die Römer, haben nicht irgendwo abseits beerdigt, sondern an Straßen“, ergänzt Heimatforscher Bernhard Christoph aus Klosterlangheim. „Die Gräber sollten gesehen und beobachtet werden, als Demonstration und wegen der möglichen Grabräuber. Eine natürliche Verbindung von Süd nach Nord ist in alter Zeit über die Höhen östlich des Maintals verlaufen.“ Dabei wurde auch das Gelände des heutigen Ortes Oberleiterbach gequert und die Anhöhe durch das „Hanbüchla“ erklommen. „Die zugehörigen Hohlgassen unterhalb des Waldstückes, die das hohe Alter der Straße dokumentierte, wurden wohl im Zuge der Flurbereinigung verfüllt.“ Solche durch die Geographie vorgegebenen Straßentrassen können möglicherweise bis in keltische Zeit zurück reichen, „denn das Rad ist nachweislich bereits in der Bronzezeit genutzt worden“.

Eines aber ist unstrittig: „Die Dichte der Gräberfelder im Bereich  Kleukheim–Prächting ist erstaunlich hoch. Da gibt es das bekannte Gräberfeld bei Prächting, das Gräberfeld im Hainbüchlein und das Gräberfeld im Peusenhofer Holz. Am Rande des Albtraufs, der Jura- Hochfläche oberhalb von Kümmel und Oberküps,  befinden sich ebenfalls vereinzelt Hügelgräber“, so Köcheler. Und am Dornig.

Ein Hügelgrab im  „Hanbüchla“ wurden im Zeitraum zwischen 1983 und 1985  im Rahmen einer Notgrabung untersucht. In „Geschichte am Obermain“, dem Jahrbuch des Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW) 1985/86, ist zu lesen, dass die Gräber schon 1842 „angetrichtert“ wurden. Letztlich waren es aber dort spielende Kinder, die die Grabstätten so stark zerwühlten, dass Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege herbeieilten. Sie fanden Fragmente von mindestens elf Gefäßen sowie zwei Stücke eines Melonenarmbands und einen kegelstumpfförmigen, bronzefarbenen Zierknopf, der Teil eines Dolchgriffs gewesen sein könnte. „Uns wurde als Kind von Lehrer Schmitt immer gesagt: Die Gräber im ,Hanbüchla‘ sind leer, die sind geräubert“, erinnert sich Nikolaus Kunzelmann. Das war Ende der 1950-er- beziehungsweise Anfang der 1960-er-Jahre.

Bestattungsplätze der Oberschicht

Die Größe der Hügelgräber im „Hanbüchla“ lässt Rückschlüsse auf die Bestatteten zu: „Mit großer Sicherheit handelt es sich hier nicht um Fürstengräber, dazu sind sie in ihren Dimensionen zu klein. Außerdem befindet sich Oberfranken am Rande des keltischen Kulturbereichs abseits des keltischen Kerngebiets im Südwesten Deutschlands und Ostfrankreichs“, erklärt Anton Köcheler. „Die Hügelgräber der dort herrschenden mächtigen Eliten haben Hügeldurchmesser von 50 bis 80 Meter. Die größten Grabhügel in unserer Region erreichen gerade mal 20 bis 25 Meter.“

Grundsätzlich seien in Hügelgräbern  Angehörige der wohlhabenden Oberschicht mit reichen Beigaben (Tracht, Schmuck, Waffen, Keramik) bestattet worden, wobei die Größe des Grabhügels dem sozialen Status  dem Verstorbenen entsprach. „Angehörige der Unterschicht, also arme Bauern, Unfreie oder Sklaven, wurden in unscheinbaren Brandgruben zwischen den Hügeln bestattet.“

Führungen in die Vergangenheit

Naturwächter Wilhelm Ebitsch hat in diesem Jahr erstmals Wanderungen „Von Hankirche und Hanhof zum Hanbüchla“ angeboten. Schlusspunkt war in der 501 Jahre alten Sankt-Laurentius-Kirche in Oberleiterbach. Diese stießen auf so großes Interesse, dass er auch in der kommenden Wandersaison wieder diese Touren anbieten will. Zum einen in Zusammenarbeit mit der Umweltstation des Landkreises Lichtenfels in Weismain. Zum anderen gerne für Privatgruppen, die sich bei ihm unter (09547) 373 melden können. „Viele gehen achtlos vorbei und wissen gar nicht, welche kulturhistorischen Schätze in diesem Waldstück schlummern“, so Ebitsch. „Dafür will ich ein Bewusstsein schaffen.“

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Das Dorf Oberleiterbach - Von Weinbau, Frondienst und Seelenheil

Dr. Thomas Gunzelmann referiert über ehemals michelsbergisches Klosterdorf

25.07.17   Chronisten schreiben das Jahr des Herrn 1221. Franz von Assisi stellt die (zweite) Ordensregel der Franziskaner auf. Nach einen Großfeuer lässt Bischof Ekbert Graf von Andechs-Meranien gerade den zweiten Bamberger Dom errichten. Und Heinrich von Schletten fürchtet um sein Seelenheil, verzichtet zugunsten des Klosters Michelsberg auf die Vogtei „Leiterbach“, mit der er einst vom Abt gelehnt wurde. Er ist die erste gesicherte Quelle, in der das Dörfchen Oberleiterbach einen Platz in der Geschichte findet.

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„Man darf jedoch davon ausgehen, dass der Ort noch viel älter ist“, erläuterte Dr. Thomas Gunzelmann, stellvertretender Referatsleiter Siedlungs- und Kulturlandschaftsdokumentation am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, im voll besetzten großen Saal des Gemeinschaftshauses seinen interessierten Zuhörern. Wie alt genau, das sei schwierig zu sagen, sei doch die Unterscheidung Unterleiterbach und Oberleiterbach erst eine aus der jüngeren Zeit. Früher habe man schlicht von „Leiterbach“ gesprochen, bereits um 800 sei ein solches erwähnt – jedoch sei davon auszugehen, dass es sich um Unterleiterbach handelte. „Ich vermute, dass es den Ort schon in karolingischer Zeit gab, wohl um 900 oder 1000.“ Schriftliche Nachweise aber gibt es keine. Dafür gibt es selbst aus der Eisenzeit menschliche Spuren rund um Oberleiterbach: Im Flurstück Hagenbüchlein Richtung Kleukheim und am Kohlanger Richtung Unterleiterbach sind Hügelgräber zu finden, die aus der Hallstadt- und frühen Latène-Zeit stammen dürften.

Name wohl von „Leite“

Doch was bedeutet er, der Ortsname Oberleiterbach? – Gunzelmann fußte diesbezüglich auf den Forschungsergebnissen von Dr. Dorothea Fastnacht zurück. Die wahrscheinlichste Deutung sei, dass es er von „Leite“, also dem fränkischen Begriff eines steilen Hangs, stamme. Oberleiterbach sei schließlich von fast allen Seiten von Anstiegen umgeben.

Im Mittelalter war die Geschichte Oberleiterbachs untrennbar mit der des Klosters Michelsberg in Bamberg verbunden, das der erste Bamberger Bischof Eberhardt 1015 gründen ließ. In Oberleiterbach stand einer der 13 Haupthöfe (principalia curtis). Dieser war so wichtig, dass sogar, wie im Mittelalter üblich, Urkunden gefälscht, also zurückdatiert wurden. Die bäuerlichen Untertanen hatten Abgaben und Frondienste an den Grundherren. Geleitet wurde das System vom auf dem Klosterhof ansässigen Meier, der im Obermainraum meist Hofmann genannt wurde. Ab 1366 wurde der Klosterhof (heute Laurentiusring 4 und 8) verpachtet und später auf Erbrecht verliehen. Abgaben an den Grundherrn waren aber natürlich weiter zu leisten: Bischof, Kloster und die Kirche selbst wollten entlohnt sein. Damit das auch klappte und notfalls Recht durchgesetzt werden konnte, wurden Vögte eingesetzt. Und über dieses Amt kamen auch die Marschalke von Kunstat (später Ebneth) zu Jahrhunderte währenden Besitzungen in Oberleiterbach.

Vier Käse zu Pfingsten

Dank einer vorzüglichen klösterlichen Buchführung lässt sich nachvollziehen, dass in „Obernleiterpach“ 1323/28 neun Bauern Zinsen von einer Hube (mansum) und drei weitere von einem Lehen (feudum) entrichteten. Die Abgaben waren nicht wenig, aber doch erträglich, wie Dr. Gunzelmann am konkreten Beispiel aufzeigte. In den Quellen heißt es: „Heinrich Hornung von einer Hube steuert an Walpurgis (1. Mai) und an Martini (11. November) jeweils ein Pfund Denare (Pfennige), außerdem 2 Sümmer Korn (ca. 600 l), an nativitas (Weihnachten) 2 Hühner; an carnisprivum (Fassnacht) 1 Huhn, an pascha (Ostern) 60 Eier, an pentecoste (Pfingsten) 4 Käse.“ Elf Huben – große Ackerflächen –  ließ das Kloster bewirtschaften, die später in immer kleinere Teile zerbrochen wurde. Das Dorf wuchs – und die Oberleiterbacher brauchten Broterwerb. Die Selden (Sölden) entstanden.

Bedeutend war nicht nur der Klosterhof: Oberleiterbach war mit seinen 25 Weingärten nördlich des Dorfes im Spätmittelalter auch ein bedeutsamer Weinbauort für das Kloster (montis monachorum). Der Rückgang des Weinbaus setzte um 1560 mit der sogenannten kleinen Eiszeit ein, der 30-jährige Krieg tat sein übrigens. Jedoch lasse sich noch 1801 ein Lätterbocher Weinberg in Oberleiterbach nachweisen, der damals dem Kloster Banz lehenbar war, so der Fachmann.

Bis zur Säkularisation

„Am Ende des Alten Reichs gehörte Obereiterbach zum Hochstift Bamberg, dessen Amt Lichtenfels die hohe und niedrige Gerichtsbarkeit ausübte und Steuern, also Abgaben an den Landesherrn, einzog“, erklärte Dr. Thomas Gunzelmann. Das Kloster Michelsberg prägte noch immer, als mit Abstand größter Grundherr, die Geschehnisse im Ort. Und Lätterbach war ein vergleichsweise wohlhabendes Bauerndorf. „Handwerker gab es nur, soweit sie der Versorgung der Landwirtschaft dienten.“ Ein Zimmermeister, ein Schuhmacher, zwei Weber und ein Schmied gingen ihrer Arbeit nach, außerdem gab es zwei Wirte – und einige Einwohner betrieben gemeinsam ein Brauhaus. Bereits im 18. Jahrhundert gab es eine Schule. „Mit dem Übergang des Hochstifts Bamberg an Bayern im Jahr 1802 und damit auch der Aufhebung des Klosters Michelsberg ging die jahrhundertealte wesentliche Einflussnahme des Klosters auf das Dorf zu Ende“, führte der Fachmann aus.

Während sich die Bevölkerungsentwicklung in den zurückliegenden Jahrhunderten kaum veränderte, von den Auswirkungen des Krieges einmal abgesehen, so gebe es erst in jüngerer Zeit eine leichte siedlungsmäßige Aufwärtsentwicklung. Einher ging die Stagnation der Landwirtschaft, Oberleiterbach wurde Wohnstandort. „Bei den erheblichen Qualitäten des Ortsbildes und des Landschaftsbildes muss man sich allerdings für die Zukunft eine sehr sensible Planung wünschen“, schloss Dr. Thomas Gunzelmann seine Ausführungen.

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Als der Wirt die Kirchenmauer durchbrach

CHW-Exkursion im einst Michelsbergischen Klosterdorfs – Wunderschönes Kirchhoftor

OBERLEITERBACH   War es die Erwartung dreier Koryphäen auf ihrem Gebiet, die die zahlreichen Geschichtsfreunde an diesem Sommerabend nach Oberleiterbach lockte? War es die faszinierende Geschichte eines einst Michelsbergischen Klosterdorfs mit seiner 500-jährigen Kirche, die anspornte? Oder war es einfach die große Freude, endlich mal wieder Geschichte hautnah, und mit Witz und Charme vorgetragen, erleben zu dürfen? – Jedenfalls machten die mehr als 100 Interessenten die Exkursion des Colloquium Historicum Wirsbergense im 279-Einwohner-Dörfchen zu einem großen Erfolg. Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold, Kreisheimatpflegerin Annette Schäfer und der Vierzehnheiligener Basilikaorganist Georg Hagel verwöhnten sie mit einem faszinierenden Spaziergang bis zurück ins Mittelalter.

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Zunächst gab die Bamberger Kreisheimatpflegerin einen Einblick in die Geschichte des Haufendorfs am Anstieg zur nördlichen Frankenalb, dessen Einwohnerzahl sich in den vergangenen 200 Jahren nahezu nicht veränderte. 1221 wurde „Leiderbach“ in einer Urkunde als einer der 13 Haupthöfe des Klosters Michelsberg genannt, 1323 dann taucht der Name Oberleiterbach im Urbar A des Bistums Bamberg erstmals auf. Der Klosterhof (heute Laurentiusring 4 und 8) diente der Versorgung des Stifts mit landwirtschaftlichen Gütern, so Schäfer. Im späten Mittelalter, in einer Phase der klimatischen Erwärmung, wurde Oberleiterbach ein wichtiger Weinbauort für das Kloster Michelsberg: „Es ist von etwa 25 Weingärten rund um Oberleiterbach die Rede“,  ekrlärte der Fachfrau aus Hirschaid. Als 1560 dann eine kleine Eiszeit einsetzte und alsbald der Dreißigjährige Krieg ausbrach, ging der Weinbau massiv zurück. Und die Bevölkerungszahl Oberleiterbachs brauchte aufgrund der Kriegs bis ins Jahr 1738, um wieder den Stand von vorher zu erreichen.

Als 1803 die Säkularisation begann, wurde der Ort zunächst in das Kurfürstentum und ab 1806 in das junge Königreich Bayern eingegliedert. Erst wurde das Dorf 1804 dem Landgericht Hallstadt zugewiesen, 1813 dann dem Landgericht Lichtenfels, 1841 dem Landgericht Scheßlitz und dann 1862 zum neu errichteten Landgericht Staffelstein, dem späteren Landkreis Staffelstein. Da blieb es bis zur bayerischen Gemeindegebietsreform 1972, als der Landkreis Staffelstein aufgelöst wurde und Oberleiterbach zum Landkreis Bamberg kam.

Beim kleinen Dorfrundgang erläuterte Schäfer die unterschiedlichen Baustile und Bauformen, richtete den Blick auf den Heimatschutzstil des „Neuen Schulhauses“ von 1913, in dem einst bis zu 54 Kinder gleichzeitig unterrichtet wurden, und zeigte andernorts die Schweizerhaus-Elemente an einem Fachwerkbau. Dass die Baustruktur des Ortes an vielen Stellen unverfälscht erhalten blieb, sei ein Glücksfall.

Zurück im von hohen Mauern umschlossenen Kirchhof, der bis 1968/69 als Friedhof diente und durch „das wohl schönste Kirchhoftor weit und breit“ (Dippold) zu erreichen ist, übernahm der Bezirksheimatpfleger. Er wartete gleich mit einem Kuriosum auf: Eigentlich sollte der Kirchhof nur einen Zugang haben. Eigentlich, denn da hatte die Kirche die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn der Besitzer „von dem ungefähr sechs oder acht Schuhe von der Kirchhofmauer entfernten Wirthshause“ nahm, wie 1827 niedergeschrieben, kurzerhand Steine aus der Mauer, „damit er und seine Gäste je am geschwindesten und unmittelbarsten vom Wirthshause zum Gottesdienst und vom Gottesdienst zum Wirthshause kommen können.“

Der CHW-Chef erklärte, dass der Kirchturm aus dem Jahre 1517 stamme, was die Inschrift des Schlusssteins belege. Einst war der Kirchturm jedoch wohl spitz, die schwierig zu konstruierende Welsche Haube ist ein Werk des Meisters Adam Kuntzelmann aus Stübig, der auch das Rathaus in Staffelstein erbaut hat. Das Langhaus sei grundlegend auch mittelalterlich, doch wurde es 1681 erweitert, unter Verwendung der Mauern.

„Als die Kirche errichtet wurde, gehörte Oberleiterbach zur Pfarrei Ebensfeld, davor vielleicht zu Staffelstein oder Scheßlitz. Es war vermutlich auch nicht die erste Kirche an dieser Stelle, denn bereits 1489/90 wird eine ,kirchmawer‘ erwähnt“, sagte Dippold. Als die Pfarrei Kleukheim entstand, wollten die Oberleiterbacher 1953 dieser zugeteilt werden – schlicht, weil der Fußweg dorthin nur halb so lang ist. Ein Jahr später erfüllte der Bamberger Bischof ihren Wunsch. Nicht mal ein halbes Jahrhundert später, als Kirchschletten von der Pfarrei Zapfendorf abgetrennt und eigenständig wurde, wurde Oberleiterbach diesem halb so großen Ort untergeordnet –„immer krieg und streit, händel“ (Visitationsprotokoll 1751) waren programmiert.

Von der mittelalterlichen Kirche ist im Innern nicht mehr viel erhalten geblieben, wohl aber die typische Sakramentsnische, wie der Bezirksheimatpfleger aufzeigte. Bildhauer Johann Samuel Koch fertigte 1686 den Hochaltar, ursprünglich mit einem fünf Schuh hohen „heyl. Lauerensius, in der linckhen Hand ein Rost, und in der rechten Hand einen Balmzweig haltent“. Als jedoch der Hochaltar 1975 durch ein ausladenden Drehtabernakel ergänzt wurde, war kein Platz mehr für den schulkindgroßen Heiligen – ein kleinerer Ersatz musste her, der „alte“ Heilige wurde etwas seiner Haare beraubt , über der südlichen Kirchentür positioniert und später wieder in die Kirche geholt, wo er heute die Flanke ziert.

1724 erhielt die Oberleiterbacher Kirche nachweislich eine Orgel, laut Professor Dippold vermutlich die erste. Das heutige, pneumatisch betriebene Instrument im Stile der Romantik stammt aus dem Jahr 1903, vom Orgelmeister Johann Wolf aus Bayreuth – einem gebürtigen Oberleiterbacher. Basilikaorganist Georg Hagel ließ die hunderte Pfeifen aus Holz und Metall in ihren schönsten Klangfarben erschallen. Zwar sei die Orgel nicht für opulente Bach-Werke ausgelegt, dennoch klanglich ein sehr schönes Instrument.

Gut zwei Stunden dauerte die kurzweilige Zeitreise des Colloquium Historicum Wirsbergense. Dabei durfte ein Exkurs zum berühmtesten Sohn des Ortes und seinerzeit „lebenden Scheffel-Denkmal“ (Dippold), zum Einsiedler (Johann) Ivo Hennemann, nicht fehlen. Als der badische Dichter ihm eine Passage in seinem Gedicht „Wohlauf, die Luft“ widmete, wurde auch der Oberleiterbacher Einsiedelmann eine Berühmtheit – und der Tourismus auf dem Staffelberg boomte. Dass die dortige Adelgundiskapelle einen Turm erhielt und die Klause durch einen Bau aus Stein ersetzt wurde, war Ivos Verdienst – und letztlich Vermächtnis. Die über 100 Geschichtsfreunde lauschten andächtig und goutierten die hervorragenden Darbietungen des Trios mit schallendem Applaus. Bei einigen Gläschen „Lätterbocher“, dem Jubiläumsbier zum 500-Jährigen der Kirche, wurden die Eindrücke abschließend vertieft.

 

 

 

Die Bamberger Kreisheimatpflegerin Annette Schäfer führte über 100 Exkursionsteilnehmer durch den Ort. FOTO: MARTINA DROSSEL

 

 

Vor und in „Sankt Laurentius“ wusste Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold von so manchem Kuriosum zu berichten. FOTO: MARTINA DROSSEL

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Wann der Ort Oberleiterbach entstand, lässt sich heute im Detail nicht mehr nachvollziehen. Bereits um 800, zur Zeit Karls des Großen, taucht der Name „Leiterbach“ erstmals in Niederschriften auf. Historiker können aber heute nicht mehr eindeutig sagen, ob es sich um Ober- oder Unterleiterbach handelte. Auch nicht endgültig zu klären ist, welches der beiden Dörfer das ältere ist. Sicher ist, dass das Haufendorf am Anstieg zur nördlichen Frankenalb einst einer der 13 wichtigen Klosterhöfe des Bamberger Klosters Michelsberg war.

Im hohen Mittelalter verfügte das 1015 gegründete Benediktinerkloster über weitreichende und weit verstreute Besitzungen. Eine Urkunde aus dem Jahr 1221 nennt „Leiderbach“, diesmal nachweislich Oberleiterbach, als einen Haupthof. Um die Bedeutung Oberleiterbachs zu stärken, „fälschten“ die Mönche das Dokument, datierten es auf die Zeit der Klostergründung 1015 zurück. Das war im Mittelalter aber alles andere als unüblich, es diente der Sicherung von Herrschaftsansprüchen. Genannter Klosterhof befand sich im Bereich der heutigen Anwesen Laurentiusring 4 und 8. Und an den hatten die umliegenden Bauern Abgaben zu leisten. Erstmals als Oberleiterbach taucht der Ort 1323 im Urbar A des Bistums Bamberg auf. In den Urbaren waren die Besitzungen und Rechtsansprüche des Bistums aufgezeichnet. Als im Mittelalter sich das Klima erwärmte, wurde das Dorf am Leiterbach ein wichtiger Weinanbauort des Klosters. Nicht weniger als 25 Weingärten sind überliefert, ein Flurname hat sich bis heute erhalten. Als jedoch um 1560 eine „Kleine Eiszeit“ einsetzte und wenig 1618 der Dreißigjährige Krieg entbrannte, brach der Weinanbau massiv ein.

Zum "Historischen Dorfrundgang"

Die Jahrzehnte des Krieges dezimierten die Lätterbocher Bevölkerung stark: Es sollte bis 1738 dauern, bis die Zahl der Einwohner wieder gleich der vor dem Krieg war. 1803 begann die Säkularisation, die Verweltlichung der Kirchengüter. Auch das Hochstift Bamberg wurde als kirchliches Herrschaftsgebiet aufgelöst. Die einst dem bistumseigenen Kloster Michelsberg verpflichteten Oberleiterbacher wurden im Jahr 1804 dem Landgericht Hallstadt zugewiesen, 1813 dann dem Landgericht Lichtenfels, 1841 dem Landgericht Scheßlitz und dann 1862 zum neu errichteten Landgericht Staffelstein, dem späteren Landkreis Staffelstein. Da blieb das Haufendorf bis zur bayerischen Gemeindegebietsreform 1972, als der Landkreis Staffelstein aufgelöst wurde und Oberleiterbach zum Landkreis Bamberg kam. Berühmtester Sohn des Ortes ist Johann Hennemann, besser bekannt als Einsiedler Ivo vom Staffelberg, dem der badische Dichter Joseph Victor von Scheffel in seinem Gedicht „Wohlauf, die Luft“ ein immerwährendes Gedenken schuf. Der spätere Eremit wurde am 26. Februar 1824 geboren, schloss sich in jungen Jahren der bayerischen Eremiten-Kongregation an und zog 1857 auf den „Berg der Franken“. Dank der Beliebtheit der Frankenhymne wurde der „Einsiedelmann“, der laut Gedichtsvers „nicht zuhaus“ war, zu einer Berühmtheit. Der Tourismus auf dem Staffelberg boomte so sehr, dass Ivo Hennemann irgendwann an seine Leistungsgrenzen stieß. 1897 zog er im Alter von 73 Jahren zurück nach Oberleiterbach in den Hof seiner Familie und verstarb dort am 11. September 1900. Ihm ist es zu verdanken, dass die Adelgundiskapelle den heutigen Kirchturm erhielt. Auch die steinerne Klause ist ein Vermächtnis des Eremiten aus Oberleiterbach.

Markus Drossel

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